In langen und komplizierten Verhandlungen zwischen dem Vorsitzenden der Hamburger Barlachgesellschaft Harmsen und zuständigen Gremien in Köln, Güstrow und Kiel sowie mit Körtzinger und dem
Vormund Wilma Zelck, als der Vertreterin ihres noch rechtlich handlungsunfähigen Neffen und Böhmer-Erben, Peter Böhmer, wurden gemeinsam folgende Übereinkommen erzielt:
- Das
Barlach-Gremium ist der alleinige Nachlassverwalter für das Zweitstück des Schwebenden in Schnega.
- Die geschätzten Gusskosten für ein neues Güstrower Ehrenmal in Höhe von 5150 DM und die Forderungen von Hugo Körtzinger in Höhe von 4000 DM sind durch den Verkauf des Zweitstückes zu
finanzieren.
- Die Unterbringung des Zweitstückes des Schwebenden sollte in einem Süd- oder Westdeutschen Museum erfolgen. (55)
Barlachfreunde sollen 1950 zunächst noch an die Übergabe des Sicherungsgusses an Güstrow gedacht haben. Nach dem Kauf des Sicherungsgusses des „Schwebenden“ durch die evangelische Synode Köln
wurde davon jedoch nicht mehr geredet.
Um den dritten Guss für Güstrow möglichst schnell herbeiführen zu können, musste sowohl die Herausgabe des Engels von Körtzinger nach Köln und gleichzeitig die Finanzierung des Gusses bei Noack
organisiert werden. Die strittige Eigentumsfrage am Zweitguss des „Schwebenden“, der korrekterweise immer als Sicherungsguss für den Güstrower Dom zu bezeichnen ist, konnte damals auch nicht
durch ein Gerichtsverfahren zum Böhmer-Nachlass in Lüneburg geklärt werden. Erst danach kam es durch die Vermittlung von Harmsen, dem Vorsitzender der Barlachgesellschaft, zu einer
außergerichtlichen Einigung zwischen Hugo Körtzinger und Wilma Zelck. Harmsen setzte sich nach dem außergerichtlichen Vergleich nachdrücklich für den Verkauf des Sicherungsgusses weit im Westen
und für die Herstellung eines dritten Gusses für Güstrow ein. Die vorbehaltlose Rückgabe des Sicherungsgusses an die Domgemeinde Güstrow stand zu keiner Zeit tatsächlich auf der Tagesordnung.
Die für den dritten Guss erforderliche Summe von rund 5.000 DM wurde von Hermann F. Reemtsma verauslagt, da die Kölner evangelische Kirche das Geld dafür zunächst erst einwerben musste.
Der Barlach-Erbe, Nikolaus (Klaus) Barlach verzichtete auf jeglichen Vorteil aus dem Drittguss des „Schwebenden“ (Güstrow) und der Wiederherstellung des in drei Teile zerlegten „Geistkämpfers“
(Kiel). Er erklärte, dass es ihm ausdrücklich um das Ziel ginge, die Werke seines Vaters bald an die ursprünglichen Plätze zurückkehren zu lassen.
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/feiertag/932216/ Antje Löhr-Sieberg (Antoniterkirche Köln): "Im Jahr 1951 wurde der Engel auf dem kleinen Kunstmarkt zum Kauf angeboten, und zwar wurde er den Museen in Bremen, Hamburg, Köln und in der Baseler Kunsthalle angeboten. Das war natürlich der Moment, in dem Reidemeister nun zum zweiten Mal versuchte, den Engel zu bekommen. Und tatsächlich gelang es ihm. Die Voraussetzung war, dass der Engel - also er sollte verkauft werden, er sollte so viel bringen, dass das Geld ausreichte für einen Drittguss für Güstrow und für 4.000 DM, die Herr Körtzinger verlangte. Reidemeister war klar, dass dieser Engel in diese Kirche hier, in die Antoniterkirche gehörte: eine evangelische Kirche mit einem sehr schönen Aufstellungsort, so etwa, wie Barlach es auch gefordert hatte für den Engel." (50)
Am 10.10.1951 wandte sich der Superintendent der Synode der evangelischen Landeskirche Köln, Hans Enke, mit persönlichen Briefen an
zahlungskräftige Personen, Versicherungen, Banken und andere Spender, um Geld für den Kauf des Zweitgusses des „Schwebenden“ durch die ev. Kirche Köln einzuwerben. Bei der von ihm initiierten
Spendenaktion argumentierte der Superintendent teilweise mit sehr vagen Formulierungen. (56)
Das Presbyterium der Kölner evangelischen Kirchen hatte die Zustimmung der Antoniterkirche für eine Aufhängung des „Schwebenden“ erwirkt. Mitte des Jahres 1951 hatte die
evangelische Antoniterkirche sich bereit erklärt, den Zweitguss des „Schwebenden“ in ihrer Kirche aufzuhängen. (43) Der Antonitergemeinde sollten hierdurch keine
Unkosten entstehen.
Die Spendenaktion in Köln brachte die Gelder zusammen, um
den „Schwebenden“ für die ev. Kirche in Köln zu erwerben,
Die eingeworbenen 10000 DM dienten zur Begleichung:
- der Vergütungsforderung von Körtzinger in Höhe von 4000 DM
- der Abformung und des Drittguss für Güstrow bei Noack 4000 DM - der Auslagen von Harmsen (für Transporte u. ä.) 2000 DM
Die Abformung für den neuen, für Güstrow zu gießenden, „Schwebenden“ erfolgte ab dem 30.11.1951 in Schnega durch Noack und einen Mitarbeiter. Den Modellgips hatte
Harmsen persönlich nach Schnega geschafft. Dies alles schien Prof. Reidemeister nötig, um das mehrfache „Überschreiten“ innerdeutscher Grenzen (von West nach Ost und weiter nach West-Berlin und
zurück), durch den Zweitguss des „Schwebenden“ zu verhindern. Von der Kölner Kirchenleitung wurden darin Gefahren für einen Verlust gesehen. Der Drittguss erfolgte wieder bei Noack in
West-Berlin.
Dieser neue Guss des „Schwebenden“ sollte ursprünglich zur Eröffnung der Barlach-Ausstellung am 07.12.1951 in der Akademie der Künste der DDR gezeigt werden. Die Eröffnung wurde
damals aus uns unbekannten Gründen auf den 14.12.1951 verschoben.
Die Verzögerungen bei der Abformung in Schnega verhinderten die Ausstellung eines Bronzegusses des „Schwebenden“ in dieser repräsentativen Ausstellung. So wurde der von Harmsen gemachte Vorschlag
aufgegriffen und in der Ausstellung in Berlin ein sofort nach der Abformung in Schnega gefertigter getönter Gipsguss der Fa. Noack gezeigt.
Anlässlich der Barlach-Ausstellung in der Akademie der Künste der DDR gerieten die Werke Barlachs ins Visier der staatlichen Kritik. Waren sie von den Nazis als
bolschewistisch und undeutsch verfemt worden, so hieß es jetzt, sie seien formalistisch oder dekadent. Girnus, ein Verfechter der SED Kultur- und Hochschulpolitik, nannte Ernst Barlach im „Neuen
Deutschland“ einen auf verlorenem Posten stehenden, in seinem Grundzug rückwärtsgewandten Künstler und seine Geschöpfe eine graue, passive, verzweifelte, in tierischer Dumpfheit dahinvegetierende
Masse.“ Das änderte sich erst, als Bertolt Brecht sich eindeutig für Barlachs Werk einsetzte: "Ich halte Barlach für einen der größten Bildhauer, die wir Deutschen gehabt haben. Der Wurf,
die Bedeutung der Aussage, das handwerkliche Ingenium, Schönheit ohne Beschönigung, Größe ohne Gerecktheit, Harmonie ohne Glätte, Lebenskraft ohne Brutalität machen Barlachs Plastiken zu
Meisterwerken."(57)
Der 1951 an die Akademie der Künste der DDR ausgeliehene Gipsguss wurde an die Gießerei Noack zur Verfügung des Barlach-Gremiums zurückgegeben.